Erfahren Sie mehr über Persönlichkeitsstörungen und Persönlichkeitsstile, gesellschaftliche Stigmatisierung, wie man zu einer Diagnose kommt, und warum Persönlichkeitsstörungen als schwer therapierbar gelten?

Psychotherapie und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen und Persönlichkeitsstilen

Störungen der Beziehungsfähigkeit

Persönlichkeitsstörungen sind im Wesentlichen Störungen der Beziehungsfähigkeit. Sie zeichnen sich durch mehr oder minder rigide Verhaltens- und Reaktionsweisen in Beziehungen aus.

Stigmatisierung der Persönlichkeitsstörungen

Immer noch sehr häufig findet sich eine starke Stigmatisierung in Literatur und Presse. Oftmals steht das Leid der Mitmenschen im Mittelpunkt - anstatt das Leid der Betroffenen selbst zu erkennen. Hier ist insbesondere die ganze Diskussion rund um die narzistische Persönlichkeitsstörung zu nennen, die eine ganze Armada an "Spezialisten" gefördert hat, die sich um die Opfer von Narzissten kümmern. Ohne jedoch die Narzissten selbst als Opfer und Leidende ihrer eigenen Schwierigkeiten zu sehen.

Persönlichkeitsstörung oder Persönlichkeitsstil?

Ich spreche lieber von Persönlichkeitsstilen. Dies mag zwar auch etwas sein, was man sich über lange Zeit angewöhnt hat und von dem man nur schwer lassen kann - aber Stile kann man ändern. Meist sind die dem jeweiligen Persönlichkeitsstil eigenen Verhaltens- und Erlebensmuster bereits in der frühen Kindheit erworben und waren damals eine kreative Lösung, also eine aktive Leistung, um das eigenen Überleben zu sichern. Im weiteren Verlauf des Lebens können die zunächst hilfreichen Muster zunehmend maladaptiv, also schädlich werden.

U.a. können sie die Beziehungen zu anderen Menschen stark beeinflussen und erschweren. Das dabei entstehende Leid liegt dabei nicht nur bei dem Mitmenschen, sondern vor allem auch bei dem Betroffenen selbst, der meist massiv unter den Auswirkungen seines eigenen Persönlichkeitsstils leidet. Auch wenn er dieses Leid nicht unbedingt wahr nimmt.

Nochmal - die erworbenen Erlebens- und Verhaltensmuster waren damals meist die einzig gangbare erscheinende Möglichkeit zum Überleben. Dies hat zur Folge, dass diese Muster ich-synton verarbeitet werden. In dem Sinne "ich hab damals damit überlebt - also muss es auch heute noch gut sein". Häufig fehlen den Betroffenen die entsprechenden Fähgikeiten, die Ihnen erlauben würden, die eigenen Muster in Frage zu stellen. Die Betroffenen spüren meist "alle Berechtigung" der Welt, so zu handeln, wie sie handeln.

Die wichtigsten Persönlichkeitsstörungen

Im Falle der histrionischen Persönlichkeit reicht es z.B. nicht, einfach die eigene Betroffenheit oder Verletztheit über ein Erleben auszudrücken. Übertrieben ausgedrückt muss alles eine Drama sein. Himmel und Hölle müssen über den Gegenüber einbrechen, dass dieser zuhört, dass man selbst bemerkt wird  - denn das war schon damals so. Zudem war oft Angriff die einzige Möglichkeit zur Verteidigung. Verletzheit (also Schwäche) zu zeigen damals ein Einladung zu weiterer Verletzung.

Die Borderline-Persönlichkeit wird heutzutage am Meisten diagnostiziert. Sie zeichnet sich durch instabile Emotionen und Beziehungen, Selbstverletzungen und Schwarz-Weiss Denken und Erleben aus.

Im Falle der narzisstischen Persönlichkeit zeigt der Betroffene immer wieder seinen Beziehungspartnern, wie wenig er sie braucht. Auch wenn das nicht stimmt. Als Kind hat er/sie lernen müssen, die eigenen Bedürfnisse nach Nähe und Beachtung nicht zu spüren - u.U. weil da niemand war. Er hat sich groß halten müssen, um nicht klein zu sein.

Manch zwanghafte Persönlichkeit ist zu gewissen Teilen in der magischen Welt des Kindes verblieben, das sich nicht anders helfen konnte, als durch Rituale und ritualhafte Handlungen seiner Welt ausreichende Struktur zu geben.

Wie werden Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert?

Meiner Meinung nach sollte die Diagnose einer Persönlichkeitsstörungen erst nach langer Beobachtung, guter Fremdanamnese und vor allem nicht zu früh im Leben getroffen werden. Sehr wichtig ist die klare Differentialdiagnose zur komplexen Traumafolgestörung (K-PTBS).

Leider wird in den letzten Jahren bei vielen sehr jungen Patientinnen die Diagnose einer Borderlinepersönlichkeit gestellt, meist im Zusammenhang mit einem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung. Aus Sicht der Behandler mag dies Sinn ergeben - um den Patienten gut zu begleiten; ausreichend Augenmerk auf die Instabilität zu geben. Für die Betroffenen wird die Stigmatisierung relativ schnell erlebbar und führt oft auch zu Überzeugungen, für die Probleme selbst verantwortlich zu sein ("Ich bin ja krank").

Warum gelten Persönlichkeitsstörungen als schwer therapierbar?

Die Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen benötigt viel Zeit und Beziehung. Sie erfordert eine hohes Maß an Mitarbeit des Klienten, vor allem die Fähigkeit schwierige Aspekte des eigenen Seins anzuerkennen. Schuld und Scham spielen oft eine grosse Rolle. Viele Therapeuten schrecken vor den damit einhergehenden Dynamiken zurück.

Zudem erfahren viele Menschen mit Persönlichkeitsstörungen zu Beginn einer Therapie oftmals eine Verschlechterung. Das Gewahrwerden des Ausmaßes der eigenen Verletzung und Verletzlichkeit muss gut verdaubar sein. Die Gefahr, dass eine begonnene Therapie frühzeitig abgebrochen wird, ist meist hoch, abgesehen davon, dass viele der Patienten erst gar nicht in Therapie kommen oder gehen.