Vergeben und Verzeihen

Metaartikel zum Thema Verzeihen und Vergeben. Zur Selbstreflexion, Nachbearbeitung, philosophischen Betrachtung, aber auch als Orientierungshilfe, um den eigenen Prozess einordnen zu können. Lesezeit insgesamt: 30-60 min.

Vergeben und Verzeihen - ein Teil der Lebenskunst

Wofür verzeihen und vergeben wichtig ist

Wenn wir längere und verbindliche Beziehungen leben, dann ist es unvermeidlich, dass Verletzungen und Kränkungen auftreten ...

... daß wir uns gegenseitig „weh tun“. Daran führt kein Weg vorbei. Das mag jetzt zwar ein wenig unromantisch klingen, aber so ist es. Auch Unrecht ist nicht immer vermeidbar.

Wenn wir also trotz erlebter Verletzungen in Beziehung bleiben möchten, dann müssen wir Wege finden und Mittel entwickeln, damit umzugehen. Wir brauchen eine Verzeihenskompetenz. Die Beziehungsforschung zeigt, dass vergeben und verzeihen zentral für das Andauern und gute Funktionieren von Beziehungen ist. Insofern kommt dem Ausräumen alter Verletzungen ein hoher Stellenwert zu. Dies gilt gleichwohl für private als auch berufliche Beziehungen, die gleichermaßen durch unausgeräumte Verletzungen belastet sein können und im schlimmsten Fall eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machen.

Moralphilosophisch betrachtet werden wir immer menschlich und somit fehlerbehaftet bleiben. Selbst wenn wir genau wissen, wie wir uns verhalten wollen. Wir können unseren Wunsch, unser Gegenüber nicht zu verletzten nicht immer einlösen. Dies liegt in der Natur des ewigen Beziehungstanzes zwischen Autonomie und Bezogenheit. Ebenso können frühe Verletzungen, die unser Partner in seiner Kindheit erlebt hat durch unser Handeln reaktiviert werden.

Nicht zuletzt führt die grundsätzliche Verschiedenheit und Gewordenheit aller Menschen zu Verletzungen, welche meist gar nicht beabsichtigt waren.

Wir werden immer wieder Dinge tun, die unseren Partner verletzen und/oder kränken, auch wenn dies nicht beabsichtigt war. Manchmal müssen wir sogar einen Schmerz bei unserem Gegenüber in Kauf nehmen, um die Liebe und Beziehung zu genau diesem Menschen in uns zu schützen. Insbesondere dann, wenn es gilt, unsere Bedürfnisse nach Autonomie und Authenzität zu schützen. Z.B. wenn wir uns gegen einen Wunsch unseres Partners / Kollegen / Vorgesetzten abgrenzen wollen/müssen.

Verletzungen, die unbearbeitet bleiben und nicht verziehen werden, häufen sich zwischen den Beziehungspartnern zu einem Berg auf, der mit der Zeit immer größer werden kann – bis sie einander nicht mehr sehen können.

Wie kann Verzeihen gelingen?

Verzeihen geschieht selten von alleine. Und auch nicht von Jetzt auf Nachher. Es handelt sich um einen komplexen Prozess, der vieler kleiner Schritte bedarf und neben Zeit auch viel Energie beanspruchen kann. Zudem greift er auf spezifische psychische, mentale und emotionale Ressourcen zurück. Auch das Vorhandensein oder der Mangel an sozialen und relationalen Ressourcen spielt eine Rolle.

Verzeihen verstehe ich dabei als eine aktive Handlung. Wer verzeihen möchte, kann etwas dafür machen. Wer möchte, dass ihm etwas verziehen wird, kann darum bitten und (falls gewünscht) den Prozess auch aktiv unterstützen.

Das Verzeihen selbst geschieht aber in der Person des Verzeihenden. In diese Sinne verfügt er/sie hier über eine hohe Begrenzungsmacht. Wenn er/sie nicht will, dann findet kein Verzeihen und keine Vergebung statt.

6 Schritte auf dem Weg zum Verzeihen

1. Notwendende Einsicht: etwas steht "zwischen uns"

Nicht immer sind die in uns liegenden Ursachen für Streit, Rückzug, Groll und Zorn bewusst.  

Manchmal ist es offensichtlich, dass es eine bestimmte Handlung des Anderen gab, die ich ihm nachtrage, die zwischen uns steht, die aus dem Weg muss, wenn ich weiter eine Beziehung zu diesem Menschen führen will. In anderen Fällen kann der mitunter offen beoachtbare Streit / Dissens erst nach Exploration auf eine nicht vergebene Tat oder Verletzung(en) zurückgeführt werden.

Der Prozess des Verzeihens nimmt seinen Beginn in der Einsicht, dass es da eine Verletzung in mir gibt, die zwischen mir und meinem Partner steht. Das Erkennen, dass ein Schmerz, der in mir lebendig ist „zwischen uns“ steht. Den freien Fluss, also die Offenheit (Informationsfluss) und damit letztlich die Liebe behindert.

2. Den Wunsch entwickeln, vergeben zu wollen  - sich für Verzeihung entscheiden

Der nächste Schritt ist der Wunsch, diese Verstrickung auszuräumen zu wollen. Den Weg zum Partner oder Kollegen wieder frei befreien zu wollen. Sich selbst und den Anderen aus dieser Sache zu "entlassen". Die Entscheidung, vergeben zu wollen. Sich auf eine Lösung und einen gewünschten Zustand auszurichten.

In dieser Phase ist es manchmal zentral, seinem Partner mitzuteilen, dass man verzeihen möchte, aber noch nicht so weit ist. Daß es scheinbar noch etwas braucht, um dies tun zu können. Ohne schon zu wissen, was dies ist. 

Auch wenn wir manchmal der Meinung sind, dass der Verletzer dies erbringen sollte, also etwas tun müsse, dass wir verzeihen können; der eigentliche Vorgang des Verzeihens und Vergebens geschieht in der Person des Verletzten.

Hilfreich kann es hier auch sein, sich mit den Vorteilen des Verzeihens zu beschäftigen - frei nach der Frage: Was würde es mir (und meiner Beziehung) bringen, wenn "das" nicht mehr "zwischen uns stehen" würde?

3. Das Erlebte durchleben - sich der eigenen Wunde bewusst werden

Mitunter der schwierigste Schritt, der die meiste Unterstützung und Zeit beansprucht. Es geht hier darum, sich der eigenen Wunde bewusst zu werden, die eigene Verletzlichkeit anzuerkennen. Die damit einhergehenden Gefühle zulassen zu können, ohne durch sie in Rigidität oder Chaos abzugleiten.

Wut, Hilflosigkeit, Hass, Trauer - mitunter geht es hier um sehr starke Gefühle. Grundgedanke dahinter: Wenn wir vor den eigenen Gefühlen Angst haben, uns gegen Sie wehren müssen, dann greifen wir zu Verdrängungsmechanismen, die zum Einen unsere eigene Leistungs- und Erlebensfähigkeit mindern, zum anderen aber meist in Vorwurf und Täter-Opfer-Denken resultieren.

Vergebung oder Verzeihen ist nur schwer möglich, wenn ich große Teile von mir und meinem Erleben aus dem Prozess ausschließen muss.

4. Ein Schritt vor, zwei zurück, drei nach oben  - Komplexe vs. Lineare Prozesse

Vergebung ist ein komplexer Prozess. Komplexe Prozesse zeichnen sich unter anderm dadurch aus, dass Erfolg und Weiterkommen nicht mit linearen Maßstäben gemessen werden kann und daß es keine Standardrezepte für ein Vorankommen gibt. Es ist immer ein zutiefst individueller Prozess.

5. Die Intention zum Verzeihen aufrecht halten

Es kommt nicht darauf an, wo ihr auf dem Weg seid - nur darauf, ob ihr auf dem Weg seid.

Dies würde ich als den zentralen Wirkfaktor im Prozess des Verzeihens bezeichnen. Die Fähigkeit, den Wunsch aufrecht zu halten. Auch in schwierigen Situationen in Verbindung mit der Intention zu bleiben. Und sein Handeln entsprechend auszurichten, auch wenn das Ziel noch nicht erreicht ist.

6. Verständnis entwickeln - für sich selbst als auch für den wahrgenommenen Verletzer

Sowohl die eigene Reaktion nachvollziehbar zu machen, als auch die Aktion des wahrgenommenen Verletzters zu begreifen und eventuell unter einem neuen Licht zu betrachten (Mentalisierung).

Was verzeihen ist und was nicht:

Begrifflichkeiten und Abgrenzungen

Verzeihen: ist ein eher psychologischer, weltlicher Begriff. Der Begriff des Verzeihens beinhaltet einen Verzicht (auf Vergeltung).

Wer verzeiht, der entschuldigt nicht.

Vergeben: oft synonym verwendet, eher aus dem religiösen Kontext entstammender Begriff. Hier steht im Vordergrund, dass derjenige, der vergibt, etwas zu Geben hat. Eng verwandt zum Begriff der Gnade.

Entschuldigen: entschuldigen kann man, wenn keine Schuld vorliegt. Wenn klar geworden ist, dass jemand nicht schuldhaft gehandelt hat, bzw. für sein Handeln nicht verantwortlich war.

Es gibt Taten, die nicht entschuldbar sind, sehr wohl aber verzeihbar.

Versöhnen: Der Begriff des Versöhnens beinhaltet die Fortführung der Beziehung.

Ich kann verzeihen und vergeben und dennoch die Beziehung zu einer Person beenden. 

Nachsicht: Nachsichtigkeit ist eine Haltung, aus der heraus es möglich ist, dem Verletzer eine Handlung nachsehen zu können, auch wenn eine Schuld vorliegt. Unseren Kindern gegenüber können wir teils sehr gut oder leicht nachsichtig sein. Nachsichtige Menschen machen aus der Mücke keinen Elefanten. Sie stellen das Unrecht nicht ins Zentrum der Betrachtung.

Vergessen: weder Verzeihen noch Vergebung haben etwas mit Vergessen zu tun. Verziehene Dinge können wirken, als seien sie vergessen, weil man nicht mehr über sie spricht, und sich auch nicht mehr ständig daran erinnert.

Vergeben heisst nicht vergessen.

Einer: "Das vergesse ich Dir nie!"
Der Andere: "Solange Du es mir vergeben kannst, brauchs Du es nicht zu vergessen"
Psychologisch gesehen in diesem Zusammenhang: es gibt sehr wohl verdrängte Verletzungen (Verschiebung ins Unbewusste/Abspaltung)

Verzeihen ist nicht die Schuld nehmen

Die Schuld bleibt. Verzeihen kann aber sehr wohl dazu beitragen, dass der Schuldige sich nicht mehr schuldig fühlen muss, was normalerweise Entwicklungs- und Einsichtsprozesse behindert - letztendlich also auch ein Hindernis sein kann, aus seiner Schuld etwas zu lernen.

Es ist möglich, schuldig zu sein, sich der Schuld auch bewusst zu sein (Verantwortung zu tragen), ohne sich schuldig zu fühlen

Merke: Verzeihen bedeutet ein Verzicht; u.a. darauf, dass der andere Schuldgefühle hat oder haben soll.

Wie definieren wir Verzeihen?

Die meisten psychologischen Defintionen beziehen sich auf einen Prozess der stattfindet, als komplexer Prozess jedoch nicht selbst beschrieben oder definiert wird. Sondern als etwas das stattfindet oder stattgefunden haben muss, wenn etwas Beobachtbares eintritt.

Also eher über die Frage: Woran kann man erkennen, dass ein Verzeihen stattfindet oder stattgefunden hat?

„Verzeihen ist die intraindividuelle, prosoziale Veränderung in der Haltung gegenüber einem wahrgenommenen Verletzer, die in einem spezifischen, sozialen Kontext eingeordnet ist“
(M.E. Mc Cullough)

Verzeihen ist hier eine Veränderung in der Haltung gegenüber einem wahrgenommenen Verletzer. Wenn wir verzeihen, dann ändert sich die Person des Verletzten.

„Verzeihen ist ein Prozess, in dessen Verlauf die Motivation für Rache an und Rückzug vom verletzenden Partner sinkt und die Motivation für wohlwollendes und versöhnliches Verhalten steigt“ (Paleari, 2009)

Verzeihen ist hier ein Prozess, der die Motivation für bestimmte Handlungen verändert. Auf der Handlungsebene können wir beobachten, dass Wohlwollen und versöhnliches Verhalten gegenüber dem Verletzer zunehmen. Ärger, Groll, Distanz, sowie Rache(-impulse) gehen zurück.

„Wir entbinden jemanden aus der Pflicht ein schlechtes Gewissen zu haben“
(Boshammer, Susanne)

Hier steht die Entbindung aus einer Schuld im Vordergrund.

„Jemand der verzeiht, macht auf das Unrecht aufmerksam.“

Ein interessanter Aspekt – Verzeihen bedeutet auch, das Unrecht zu benennen.

Was Verzeihen wir? Die Tat oder den Schmerz?

„Wenn Du von einem Speer getroffen wurdest, dann schau nicht auf den, der den Speer geworfen hat, sondern auf Deine Wunden.“

Im Rahmen dieses Artikel ist es vielleicht noch wichtig auf folgende Unterscheidung hinzuweisen.

Eine Handlung kann moralisch betrachtet und damit normativ beurteilt werden. Dann steht meist ein erlebtes Unrecht im Vordergrund und Vorstellungen über Gerechtigkeit, Schuld und Sühne spielen eine große Rolle.

Eine Handlung kann aber auch in ihrer Wirkung betrachtet werden. Wenn wir das Augenmerk auf die gefühlsmäßige Wirkung einer Handlung legen, dann können Moral und Gerechtigkeit unter Umständen etwas in den Hintergrund treten.

Im Rahmen von Beziehungsarbeit, Beziehungspflege, steht die Wirkung im Vordergrund. Ich kann etwas getan haben, dass moralisch und normativ betrachtet in Ordnung ist und dennoch kann es meinen Partner verletzen – sprich: einen Schmerz in ihm auslösen.

Verzeihen steht manchmal der Gerechtigkeit und auch dem Recht-Haben-Wollen im Weg. Sie verstehen sich nicht wirklich gut miteinander.

Solange wir den Anderen in der Schuld halten möchten, uns darauf konzentrieren, dass dieser diese einsähe, was er angerichtet hat, fällt es uns sehr schwer unseren eigenen Schmerz zu erkennen und uns mit diesem zu beschäftigen.

So oder so: Auch wenn die Tat normativ und moralisch verwerflich war - Wenn ich verzeihen möchte, dann muss ich auf den Schmerz schauen, also auf die Wirkung. Solange ich da nicht hinschauen und hinspüren kann, solange kann ich auch nicht wirklich verzeihen (auch wenn die Gerechtigkeit schon "gesiegt" hat)

Leider kommt es immer wieder vor, dass sich Paare, als auch Kollegen im beruflichen Kontext in der Auseinandersetzung über die korrekte moralisch-ethische Bewertung einer Tat verstricken. Sie streiten ewig darüber, wer Recht hat, wer mehr oder weniger Schuld hat oder wer was darf. Diese Auseinandersetzungen helfen zwar dabei, dem ungewünschten Gefühlen (der Verletzung) aus dem Weg zu gehen, stellen allerdings keine Lösung dar. Unbewusst schützt man sich und teilweise auch den anderen davor, sich mit der Wirkung (also den Gefühlen) auseinanderzusetzen.

Die Kunst, Absicht und Wirkung zu unterscheiden

„Ich musste billigend in Kauf nehmen, dass Dir meine Entscheidung weh tut / Dich kränkt. Dennoch kann ich keine Schuld einräumen, weil meine Entscheidung / mein Handeln für mich völlig schlüssig ist und keinerlei Alternativen erlaubte.“

Es ist in allen interpersonellen Konflikten immer wieder wichtig, zwischen Absicht und Wirkung einer Tat zu unterscheiden. Sowohl aus Sicht des Opfers, als auch aus der Sicht des Täters.

Der Prozess, der Handlung eines Menschen eine bestimmte Absicht zuzuschreiben, ist ein aktiver Prozess, den wir Mentalisierung nennen. Hierbei können systematische Fehler auftreten und die Absichtszuschreibung kann stark gefärbt sein durch frühe oder frühere Erfahrungen des Verletzten. Diese systematischen und unbewussten Fehler können zu schweren Unterstellungen führen, welche die erlebte Verletzung weiter verstärken und dramatisieren.

Das Ausmaß und die Schwere dieser systematischen Fehler steht meist in einem direkten Zusammenhang mit der der Unfähigkeit die Wirkung erleben zu können. Ähnliches gilt auf Seiten des Verletzers: auch er braucht viel Offenheit seinen eigenen Gefühlen gegenüber, um die Wirkung beim Verletzten anschauen und anerkennen zu können. (Widerspruch zu eigener Intention muss ausgehalten werden können, Schulderleben und  Schuldfähigkeit, sowie die Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme spielen hier grosse Rollen)

Was bringt Verzeihen?

Wer verzeiht, hat etwas zu verschenken

Es klingt recht simpel: Wenn sie verzeihen, dann machen Sie ein Geschenk. Sie haben etwas zu verschenken, etwas zu geben und es liegt an Ihnen, ob Sie dies geben können oder zurückhalten wollen.

Verzeihen ist gesund

Es konnten Zusammenhänge zwischen vorhandener Verzeihenskompetenz und allgemeinem psychischen Wohlbefinden gefunden werden. Zudem kann das Immunsysten dadurch positiv beeinflusst werden.

Verzeihen kann für alle heilsam sein

Nicht nur für den Verletzer, sondern auch für den Verletzten. Es führt zur eigenen Seelenruhe. Beide können dadurch entlastet werden. Groll und Hass vergiften nicht nur die Beziehung, sondern auch denjenigen, der sie in sich trägt. Verzeihen bedeutet auch eine Entlastung für den Verletzer.

Verzeihen macht Raum für Veränderung

In einem Klima von Vorwurf, Groll, Schmerz und Schuldzuschreibung und Rückzug kann nur schlecht Veränderung und Entwicklung geschehen. Wenn ich verzeihe, dann entlasse ich den Anderen aus einer Schublade, in die ich ihn gesteckt habe. Ich entlasse ihn aus der Schuld, die er mir gegenüber hat.

Manch Paarsystem ist so verstrickt mit gegenseitigen Vorwürfen, Verletzungen und konkreten Vorstellungen von Verzeihensbedingungen ("ich werde dir nur verzeihen, wenn du ..."), dass kein Raum mehr für eine Veränderung und Austausch besteht. Gleiches gilt für manch berufliches Beziehungsgeflecht.

Was hat Vergebung mit Macht zu tun?

Man denkt nicht automatisch an Macht und Machtverhältnisse, wenn man sich mit dem Thema Verletzung, Vergebung und Verzeihen beschäftigt. Tatsächlich spielt aber auch hier das meist tabuisierte Thema der Macht eine Rolle.

Obwohl sich der Verletzte meist ohnmächtig erlebt, sich selbst als Opfer sieht, verfügt er doch über die höhere Gewährungs- und Begrenzungsmacht.

Genauso gilt aber: indem ich jemandem dauerhaft böse bin, gebe ich dem Verletzer Macht über meine eigenen Gefühle und stelle ihn in eine Position, in der ich mich auch vor weiteren Verletzungen schwer schützen kann. Damit wird die eigene Verstrickung mit dem "Verletzer" aufrecht gehalten.

In Beziehungen, in denen es ständig darum geht, wer mächtiger ist, in denen viel kontrolliert wird, müssen oftmals erst die Themen Macht und Kontrolle sichtbar werden, bevor die ersten Schritte in Richtung Vergeben getan werden können. (Dabei wird Macht als Beziehungsthema meist tabuisiert - Macht und Kontrolle werden in diesen Fällen oft missbraucht um Ohnmacht und aversive Gefühle zu vermeiden). 

Echtes Verzeihen – echte Vergebung

oder: wie kann man erkennen, ob jemand verziehen hat?

Wie sieht es eigentlich aus, wenn jemand wirklich und echt verziehen und vergeben hat? Was können wir beobachten, wenn Verzeihen und Vergeben bezüglich einer bestimmten Handlung vollzogen sind?

Stellen wir uns ein ein Paar vor. Petra und Thomas. Thomas hat vor Jahren etwas getan, was Petra sehr verletzt hat.

Wenn Petra wirklich und echt verziehen hat, wirklich Thomas aus der Schuld entlassen hat, dann hat sie es nicht mehr nötig, seine Tat zum anklagenden Thema zu machen. Die Tat oder Handlung ist aus ihrem Sündenregister gestrichen. Die Tat und die Verletzung wirken nicht mehr (ständig) in die Beziehung hinein. Sie macht Thomas daraus keinen Vorwurf mehr.

Sollte sie innerlich spüren, dass doch mal wieder ein Vorwurf daraus erwächst, dann wird sie sich selbst darum kümmern. Mit Freunden, Beratern und Unterstützern darüber reden und schauen, was sie dafür tun kann, dass sie mit dem ehemals erlebten Schmerz wieder Frieden machen kann.

Wenn Sie noch einmal mit Thomas darüber sprechen wird, dann eher in einer Art und Weise, die nach einem erweiterten Verständnis sucht, für den eigenen Schmerz und/oder die Handlung von Thomas. Vielleicht könnte sie auch noch eine Frage haben oder bei Thomas Unterstützung suchen, um es gut sein zu lassen. Um im Zustand und in der Haltung des Verzeihens verbleiben zu können.

Ich habe es nicht mehr nötig, es Dir gegenüber zum Thema zu machen. Also nicht mehr anzuklagen. Ich habe keine offene Rechnung mehr an Dich. Ich habe es nicht mehr nötig, es immer wieder Dir gegenüber zum anklagenden Thema zu machen, welches in unsere Beziehung hineinwirkt. Ich mache Dir keinen Vorwurf mehr daraus und ich habe es nicht mehr nötig, das zwischen uns stehen zu lassen.

Falls ich doch noch ein Thema damit haben werde, so werde ich mich selbst darum kümmern.

Und falls ich mit dir nochmal darüber spreche, dann ohne jeden Vorwurf.

Unterformen des Verzeihens

Stillschweigendes Verzeihen

„Ich lasse es Dich nicht wissen, dass ich Dir verziehen habe.“

Damit halte ich die befreiende Wirkung für den Anderen zurück. Verhindere aber auch eine Überforderung meines Partners.

Oft in Verbindung mit stillschweigendem Schmerzen aushalten / Kränkungen nicht zugeben / nicht Aua sagen können.

Manchmal auch in Verbindung mit – wenn der Schmerz für den Täter nicht auszuhalten ist, eine Überforderung sein kann ...

Scheinbares Verzeihen

Oftmals wird ein Verzeihen ausgesprochen, obwohl der Prozess des Verzeihens noch gar nicht vollzogen ist. Gründe hierfür können verschiedene sein, insbesondere der Wunsch wieder zum Alltag zurückzukehren, Schwierigkeiten und Konflikten auszuweichen.

Ambivalentes Verzeihen

Oftmals im Zusammenhang mit ambivalenten Persönlichkeiten und mangelnder Integration / struktureller Dissoziation. Ambivalenzen rund um die "Tat" und den "Schmerz" sind nicht ausreichend aufgelöst und integriert. So kann es geschehen, dass Petra oftmals davon überzeugt ist, dass sie Thomas verziehen hat und kann das auch glaubhaft ausdrücken. Unter Spitzenaffekten zeigen sich dann jedoch wieder andere Persönlichkeitsanteile, und Thomas sieht sich wieder einem Vorwurf ausgesetzt, von dem er dachte, dass er schon längst erledigt sei.

Zu frühes Verzeihen

Verzeihen, das zu früh geschieht ist meist nicht durchgearbeitet und steht in engem Zusammenhang mit dem Unwillen oder der Unfähigkeit, sich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen. Den erlebten Schmerz und die damit einhergehenden Gefühle nachzuvollziehen und zu erspüren. Und den Konflikt und die Spannung auszuhalten, wenn darüber gesprochen wird und versucht wird, zu einem gemeinsamen Konsens zu kommen.

Erschöpfungsverzeihen

Manchmal haben wir nicht mehr die Kraft für Streit und Böse sein. Aus Erschöpfung Frieden machen. Oft im Falle hohen Alters, hoher Strittigkeit, Sterblichkeit. Ich gehe lieber in Frieden, als im Groll.

Verzeihensbereitschaft und Moralische Entwicklung

Menschen unterscheiden sich stark in ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zur Verzeihung. Es gibt Menschen, die extrem nachtragend, rach- und herrschsüchtig sind. Die streng genommen gar keine Lust haben, zu verzeihen. Weil sie damit ja den anderen aus einer Schuld entlassen würden. Und damit auch viel Macht abgeben würden, weil sie dann ja in Zukunft darauf verzichten müssten, das Thema und den alten Vorwurf immer wieder aufwärmen zu können.

Auch kann ein eigenes Schuldthema, ein eigenes frühes Schuldgefühl Grund sein, dem Anderen nicht verzeihen zu können. Oftmals muss man sich selbst zuerst verzeihen, um dem anderen verzeihen zu können.

Enright, Santos und Al-Mabuk haben eine sozial-kognitives Vergebungsmodell entworfen, welches verschiedene Stadien der Verzeihensbereitschaft beschreibt, die den Stufen der moralischen Entwicklung nach Kohlberg zugeordnet werden.

Wann und wofür sind Menschen bereit zu verzeihen?

Sie untersuchten dazu die Verzeihensbereitschaft in verschiedenen Altersstufen bezüglich eines moralischen Problems und in Abhängigkeit von verschiedenen Bedingungen und Voraussetzungen. Wie erwartet, wurden Zusammenhänge zwischen moralischer Entwicklung und Verzeihensbereitschaft gefunden.

Merke: unter hohem Druck, gerade in Situationen, in denen unser Bindungssystem aktiviert wird, kann unser Mentalisierungsniveau und damit auch unsere moralische Entwicklung temporär und situativ auf teils kleinkindliches Niveau absinken.
Daraus kann sich ergeben, dass auch Menschen, die in Ihrem alltäglichen Leben moralisch hoch entwickelt sind, situativ die Haltung eines Kleinkindes einnehmen, dass seinen eigenen Binnenzustand nur verändern kann, wenn andere Menschen bestimmte Handlungen vollziehen oder hinnehmen.

1. Stufe: Bestrafung, Gehorsamkeit, Rache (punishment and obedience orientation)

Hier geht es um eine Vergebung, die auf Rache und Bestrafung basiert (revengeful forgiveness). Hier herrscht die Vorstellung, verzeihen zu können, wenn der andere bestraft wird. Wenn er einen "ausgleichenden" Schmerz erlebt hat.

2. Stufe: Bedingungen und Wiedergutmachung (instrumental relativist orientation)

ordnen sie einer Vergebung zu, die eine Wiedergutmachung zur Voraussetzung hat. Vergeben kann hier nur geschehen, wenn ein erlebter Schaden ersetzt oder vergolten wird. (conditional forgiveness). Das Vergeben ist auch hier noch an Bedingungen geknüpft. (Verweis auf Stufen der Mentalisierung – Abhängigkeit vom Handeln des Anderen)

3. Stufe: Erwartungen der Anderen (good boy or girl orientation)

Der Verletzte vergibt, weil er erlebt, dass seine Peergroup es von ihm erwartet.

4. Stufe: Gesetz und Ordnung (law and order orientation)

Ausschlaggebend für den Akt der Vergebung hier ist z.B. eine religiöses Gebot, das als verbindlich erlebt wird. (lawful expectational forgiveness)

5. Stufe: Soziale Harmonie (social-contract legalistiv orientation)

Vergebung geschieht hier, um soziale Harmonie wiederherzustellen (forgiveness as social harmony)

6. Stufe: Universelle Prinzipien (universal principles of conscience)

Vergebung geschieht auf dieser Stufe z.B. aus der Prinzip der Liebe und Annahme. (forgiveness as love)

Es ist generell sehr wichtig, mit dem Verzeihen nicht zu manipulieren und/oder etwas Bestimmtes erreichen zu wollen.

Hilfreiche Bedingungen für Verzeihen und Vergeben

Der Prozess braucht Zeit. Er benötigt auch die Fähigkeit, Spannung auszuhalten und zu tragen. Sonst „fliegt man aus dem Prozess raus“, bevor der Weg zu Ende gegangen ist. Viele Fähigkeiten können dazu beitragen: Eigene Gefühle benennen zu können, Differenzierung, Sich in den Anderen hineinversetzen können, Flexibilität zur Perspektivenübernahme, eigene Gefühle halten und aushalten können (Containment), Wut, Schmerz und Angst angemessen ausdrücken können, die Bereitschaft, den Anderen hören zu wollen, auch wenn das zu Hörende evt. schmerzt, den Schmerz des Anderen aushalten können, die Schuldgefühle aushalten, die dabei auftreten können, usw.

Allgemeine Strategiegruppen im Umgang mit Verletzungen / Kränkungen.

1. Das Gespräch suchen

2. Das Erfahrene/Geschehene durchdenken/durchfühlen. Um Einsicht (in sich selbst und den Anderen) ringen.

3. Eigene Anteile erkennen – eigene Verantwortung erkennen

4. Distanz zu eigenen Gefühlen erhalten

5. Sich in den anderen hineinversetzen

6. Zeit – für den Verletzten (Prozess komplett durchlaufen können und auch sich die Zeit nehmen, die verschiedenen Phasen zu durchleben, u.a. auch Wut)

7. Eine geeignete Entschuldigung

Man kann da schon recht schnell an seine Grenzen kommen – z.B. wenn Einfühlsamkeit nicht vorhanden (nicht möglich).

Hilfreiche Bedingungen in der Person des Verletzten ("Opfers")

Sich zu den verdeckten Gefühlen und Verletzungen durcharbeiten

Es macht nur wenig Sinn gemeinsam eine Lösung anzustreben, wenn ich noch tief in verdeckenden Gefühlen gefangen bin.

Sich mit dem Schmerz zeigen können

Bedauern über das Geschehene finden

Im Sinne der Partnerschaft kann auch der Verletzte unter Umständen ein Bedauern finden, dass "so etwas" in der Beziehung stattgefunden hat. Manchmal braucht es auch hier ein wenig Trauerarbeit, eine Art Verabschieden von der unschuldigen, evt. idealisierten Beziehungsvorstellung.

Zurücknahme der Anklage - Ringen um Verständnis

......................................................................................................................

WIP - Work in Progress

An diesem Artikel arbeite ich derzeit

Es kann gut sein, dass Sie in einigen Tagen hier schon wieder eine neue Version finden.

(Publikation vor Perfektion)

......................................................................................................................

Hilfreiche Bedingungen in der Person des Verletzers ("Täters")

Der Verletzer / die Verletzerin kann den in der Person des Verletzten stattfindenden Prozess des Verzeihens unterstützen.

Anerkennen des ausgelösten Schmerzes

Eine Anerkennung des ausgelösten Schmerzes, sei dieser körperlich, psychisch oder rein emotional. Es kann manchmal sehr schwer sein, sich dem Schmerz im Verletzten zuzuwenden, wohlwissend, dass man etwas in guter Absicht getan hat. Annehmen zu können, wie sehr der Verletzte durch die Handlung aus seiner Mitte geraten ist. Wie groß die Schmerzen und Auswirkungen sind.

Eingestehen von Fehlern, Fehlleistungen und Unwissen

Eingestehen von Fehlern (unter Umständen auf beiden Seiten nötig), Fehlleistungen und Unwissen.

Bedauern zeigen

Seinem Partner deutlich machen, dass die erzeugte Wirkung nicht beabsichtigt war. Dass es auch weh tut, mitzuerleben, was man ausgelöst hat.

Manch Handlung erfolgte aus den bestem Gewissen und war mitunter auch beabsichtigt. Die Wirkung und die eingetretene Verletzung waren nicht beabsichtigt oder durch Unwissen nicht voraussehbar. Trennung von Absicht und Wirkung.

Reue zeigen

Die Reue geht schon einen Schritt weiter und irgendwie auch einen Schritt zurück. Dennoch wird sie oftmals als Voraussetzung genannt. Insbesondere von Menschen, die sich moralisch auf der "bedingten Ebene" befinden. In dem Sinne: "wer keine Reue zeigt, der verdient auch keine Vergebung".

Zeit für Gespräche

Es kann hilfreich sein, seine Zeit anzubieten, immer wieder die Möglichkeit anzubieten, über das Erlebte zu sprechen. Für den anderen da zu sein, in seinen verletzten Gefühlen. Sich selbst damit zu konfrontieren, was man ausgelöst hat.

Anbieten eines sicheren Raumes

Manchmal ist die Verletzung so gross, die ausgelösten Gefühle und Empfindungen so start und überwätligend, dass sich der Verletzte nicht mehr sicher fühlen kann, sobald er sich dem Thema annähert. Hier wäre dann über notwendige Bedingungen zu sprechen, was es denn brauchen könnte, um darüber wieder in Austausch gehen zu können. Manchmal kann eine Paartherapie oder Paarberatung hier hilfreich sein und einen Triangulationspunkt zur Verfügung stellen.

Die Sache mit der Wiedergutmachung

In Ausarbeitung

Wiedergutmachung zu leisten ist eine Form der Sühne. Die Idee ist sehr alt und findet auch ihren Niederschlag im modernen Umgang mit Opfer-Täter-Beziehungen.

Angebot für Wiedergutmachung – wobei hier eher eine unterstützende Tätigkeit (Akt der Bemühung) gemeint ist. Symbolische Handlung für eine Art Ausgleich. Eine Unterstützung. Eine Interaktion, die den anderen darin unterstützen soll, mich aus der Schuld zu entlassen.

Und eben nicht: nur wenn Du das und das tust, kann ich dir verzeihen.

Verführt dazu, dass ein Anspruch entstünde, im Sinne von: wenn der andere sich nur genügend anstrengt, dann ist mein Schmerz weg. Das funktioniert aber nicht. (Entspricht jedoch frühen Mentalisierungsebenen). Um den anderen darin zu unterstützen, eine Vergebung zu vollbringen. Es geht nicht darum, dass nur ein Handeln zur Vergebung führen kann. Vergebung findet in demjenigen statt, der verletzt wurde.

Etwas anbieten, was selbst schwer fällt, dem Verletzten aber gut tut (Akt der Bemühung)

Grenzen der Versöhnung

Die Fähigkeit sich in andere hineinzuversetzen. Perspektivenwechsel

Empathiefähigkeit

Verletzungen im anderen erspüren zu können – oder eben nicht.

Nicht jeder kann verzeihen. Nicht jeder hat die seelische Geschmeidigkeit.

Es gibt ein zuviel und ein zu spät. Die Unterscheidung ist jedoch schwierig.

Hoch überlernte Programme von Groll und Ärger, Vorwurf. Ärgerprogramm. VT versucht auf Verhaltensebene problematisches Verhalten zu vermeiden und gutes Verhalten aufzubauen und dadurch eine Neuprogrammierung stattfinden könnte. In diesem Zustand ist ein Verzeihen nicht möglich.

Beispiel einer Frau, die nach der Trennung noch einen Versöhnungsprozess machen wollte. Sie kam noch einmal sagte, dass sie sich nur neu verletzen würde, weil er das nicht können wird. Sie wollte und konnte sich nicht noch einmal der Situation aussetzen.

Machmal kann der Täter nicht dabei helfen

Eine Frau, die sich der Situation nicht mehr aussetzen wollte. Wenn Sie das gemeinsam mit ihrem Mann machen würde, dann würde dieser (da nicht in der Lage mitfühlend zu sein) sie wieder verletzen ...

Gibt es gute Gründe gegen ein Verzeihen?

(BH 23:00)

Alle Weltreligionen kennen eine Verzeihens-Gebot. Verzeihen ist eine Erwartung.

Es könnte aber gute Gründe geben, die gegen ein Verzeihen sprechen.

Psychologisch ist verzeihen top! Philosophisch könnte es da aber Grenzen geben.

Viele Menschen, denen verzeihen nicht gelingt, erleben sich mitunter als hartherzig und als würden sie scheitern oder hartherzig sein.

Es könnte aber gute Gründe für die Härte geben. Dies könnte damit zu tun, dass wir mit dem Verzeihen darauf verzichten, den Anderen büßen zu lassen. Im Hintergrund wirken dann Werte der Gerechtigkeit.

Unrecht muss gesühnt werden. Vergolten werden. Schuld muss abgetragen werden.

Verzeihen bedeutet nicht auf Strafe oder Konsequenz zu verzichten. Manchmal erscheinen Menschen, die nicht verzeihen können, als hart. Sie erleben sich unter Umständen

Wenn das Verzeihen die Logik der Gerechtigkeit stört…

Manchmal ist der Preis des Verzeihens

Selbstvergebung

Auch mein Selbstbild muss sich ändern, wenn ich etwas getan habe, was meinem normalen Selbstbild nicht entspricht. So bin ich. Ein Umbau ist nötig, wenn ich etwas getan habe, dass ich bisher nicht akzeptieren wollte.

Dem anderen verzeihen – geht also nicht, wenn der Auslöser nicht akzeptiert werden kann.

Selbst, wenn ich jemandem Verziehen habe, dann habe ich immer noch einen eigenen Prozess – Beispiel Tiedemann (ich bin jemand, der das/so etwas auch tut. - Der treue Ehemann, der doch fremdgegangen ist – muss sein Ichbild neu entwickeln – Umbau nötig)...

Du schuldest mir ein schlechtes Gewissen

zum Ausgleich für das Unrecht, dass Du mir zugefügt hast.

Wenn ich verzeihe, dann befreie ich dich von dieser Schuld. Und das will gut überlegt sein, ob ich das tun will. Denn das wäre ja nicht gerecht?

Hindernisse und Unmöglichkeiten

Gerechtigkeitsempfinden und -werte

Selbstachtungsideen – ich verweigere das Verzeihen, weil ich mich dann selbst verrate.

Verzeihen kann aber auch Selbstachtung stärken.

Vergeltungsideen – jemand darf nicht einfach so davon kommen, mit dem Unrecht, dass er getan hat

Vs der Blick in die Zukunft – Prophylaxe und Prävention, Schuld und Nicht-Verzeihen als Vermeidung eines Wiederauftretens. Präventionseffekt sei geringer.

Schaffung von Mitgefühl und Bildung wirken evt. Wesentlich besser. Gemeinsames Verstehen und Rücksichtsnahme.

Strafe ist das bewusste Antun von etwas Schlechten, Hinzufügen eines Übels.

Was hat den besten Präventionseffekt? Strafe? Androhung von Strafe? Strafe ist aber auch mehr als Vergeltung. Sondern auch Ausdruck eines gesellschaftlichen Unwerturteils. Wir sagen: so etwas gibt es bei uns nicht. Hier ist eine Grenze.

Wir müssen deutlich markieren, dass hier eine Grenze überschritten wurde. Expressive Funktion der Strafe.

Annehmen von Strafe ist auch ein Hinweis darauf, dass ich es ersnt meine, mit der Wahrnehmung Deiner Rechte.

Inspirationen zum Weiterhören oder Anschauen

Youtubelinks: Ich verlinke diese nicht mehr direkt - Über Suchfunktionen sollten Sie die entsprechenden Videos allerdings leicht finden.

"Susanne Boshammer, Warum wir (nicht alles) verzeihen sollten, Sternstunde Philosophie, SRF Kultur"

"Wie verzeiht man Unrecht? Eine Erläuterung von Svenja Flasspöhler | Sternstunde Philosophie | SRF"

"Paul Ferrini die Zwölf Schritte der Vergebung"

Quellen

Allemand, M. (2008). Age differences in forgivingness: The role of future time perspective. Journal of Research in Personality, Vol. 42, 11371147.

Allemand, M. Sassin-Meng, A. Huber, S. & Schmitt, M. (2008). Entwicklung und Validierung einer Skala der Bereitschaft zu verzeihen (SBV) [Development and validation of a measure of willingness to forgive]. Diagnostica, Vol. 54, 7184.

Enright, R. D. Santos, M. J. D. & Al-Mabuk, R. (1989). The adolescent as forgiver. Journal of Adolescence, Vol. 12, 95110.

Krause, N. & Ellison, C. G. (2003). Forgiveness by God, forgiveness of others, and psychological well-being in late life. Journal for the Scientific Study of Religion, Vol. 42, 77–93. 

Macaskill, A. (2005). Defining forgiveness: Christian clergy and general population perspectives. Journal of Personality, Vol. 73, 1237–1265.

McCullough, M. E. Hoyt, W. T. & Rachal, K. C. (2000). What we know (and need to know) about assessing forgiveness constructs. In McCullough, M. E. Pargament, K. I. & Thoresen, C. E. (Eds.), Forgiveness: Theory, research, and practice (pp. 65–88). New York: Guilford.

McCullough, M. E. & Worthington, E. L. (1999). Religion and the forgiving personality. Journal of Personality, Vol. 67, 1141–1164.

McCullough, M. E. & Witvliet, C. V. (2002). The psychology of forgiveness. In Snyder, C. R. & Lopez, S. L. (Eds.), Handbook of positive psychology (pp. 446–458). New York: Oxford University Press.

Worthington, E. L. (2005). Handbook of forgiveness. New York: Routledge.

Beratung Aktuell, Zeitschrift für Theorie und Praxis in der Beratung, Jahrgang 13, Heft 1/2012

Beratung Aktuell, Zeitschrift für Theorie und Praxis in der Beratung, Jahrgang 15, Heft 4/2014